0

Das andere Ende der Leine

Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt

Erschienen am 01.05.2009, Auflage: 2/2009
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783492253253
Sprache: Deutsch
Umfang: 364 S., mit 16 Seiten Bildteil
Format (T/L/B): 2.4 x 18.8 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Dies ist eigentlich kein Buch über Hundeerziehung, sondern eines über Menschenerziehung: Intelligent, wissenschaftlich, humorvoll und manchmal einfach verblüffend erklärt Patricia B. McConnell, Professorin für Zoologie und zertifizierte Tierverhaltenstherapeutin, welche typischen Missverständnisse zwischen dem 'Affen' Mensch und dem 'Wolf' Hund einer ungetrübten Beziehung oft im Wege stehen. Menschen wie Affen umarmen gerne, was sie lieben - für Hunde ist das eine glatte Beleidigung. Zahlreiche Aha-Erlebnisse und vergnügtes Schmunzeln sind beim Lesen garantiert!

Autorenportrait

Patricia B. McConnell, Autorin des Buchs »Das andere Ende der Leine. Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt«, ist Honorarprofessorin der Zoologie an der Universität von Wisconsin-Madison, USA, und zertifizierte Tierverhaltenstherapeutin. Ihr Unternehmen »Dog´s Best Friend Ltd.« ist auf das Training von Familienhunden und die Behandlung aggressiver Hunde spezialisiert. Patricia McConnell ist überall in den USA als Referentin höchst beliebt.

Leseprobe

Einleitung     Es war dämmrig und deshalb schwer, genau zu sagen, was diese beiden dunklen Flecken auf der Straße waren. Ich steuerte zufrieden mit siebzig Meilen pro Stunde zwischen einem Kombi und einem Lieferwagen über den Highway, auf dem Nachhauseweg von einer Hütehundprüfung. Aber als die schwarzen Formen näher kamen, änderte sich meine heitere Laune schlagartig. Es waren Hunde. Lebendige Hunde, wenigstens im Moment noch. Wie einem Walt-Disney-Film entsprungen, trotteten ein Golden Retriever und ein erwachsener Cattle-Dog-Mischling den Highway auf und ab, ohne jegliches Gefahrenbewusstsein. Vor Jahren hatte ich mitansehen müssen, wie ein Hund frontal von einem Auto erfasst worden war, und ich würde viel darum geben, dieses Bild aus meinem Gedächtnis verbannen zu können. Es schien unausweichlich wieder so zu kommen.   Ich fuhr an den Rand und hielt hinter einem Lastwagen. Freunde aus der Prüfung, die vor mir fuhren, hatten die Hunde auch gesehen. Wir tauschten einen erschreckten Blick und rannten auf dem Seitenstreifen gegen den Strom des fließenden Verkehrs zurück in Richtung der Hunde. Die Hunde überquerten die Fahrspuren wie einen reißenden Fluss. Sie sahen freundlich aus, an Menschen gewöhnt, vielleicht waren sie glücklich, etwas mit Beinen anstelle von Reifen zu sehen. Der Verkehr auf allen vier Spuren war schnell. Die Sicht war schlecht. Der Verkehrslärm war ohrenbetäubend; keine Chance, dass die Hunde uns hören und wir zu ihnen sprechen konnten. Genau im falschen Augenblick begannen die Hunde, quer über die Straße in unsere Richtung zu trotten. Wir wedelten mit den Armen wie Verkehrspolizisten und beugten uns nach vorn, um sie zu stoppen. Sie stoppten, eine Sekunde bevor ein Bierlastwagen sie erfasst hätte. Einen Moment lang standen wir da wie angefroren. Die Verantwortung, genau das Richtige tun und durch unser Eingreifen zwischen Leben und sicherem Tod entscheiden zu müssen, wog auf uns wie eine Zentnerlast. Wir 'riefen' ihnen durch eine Lücke im fließenden Verkehr zu, sie sollten kommen, indem wir uns wie zur Spielaufforderung hinabbeugten und unsere Körper dann wegdrehten. Dann wieder drehten wir uns um und stoppten sie wie Verkehrspolizisten, wenn die Autos der nächsten Spur über den Hügel rasten - so schnell, dass ich sicher war, die Hunde würden überfahren. Dieser stille Tanz von Leben und Tod setzte sich fort, unsere Körper bewegten sich vor und zurück als einzige Möglichkeit der Verständigung durch den Lärm der Motoren. Es schien alles in Lichtgeschwindigkeit abzulaufen, die Hunde, die sich, der Gefahr nicht bewusst, auf uns zubewegten, dann wieder stoppten, dann wieder nachkamen, wenn wir selbst unsere Körper bewegten, um sie durch den Verkehr zu lotsen. Das reichte zusammen mit einem bisschen Glück aus. Nur mit einer Vorwärtsbewegung und Herausschleudern unserer Arme nach vorn konnten wir sie stoppen, und nur mit Rückwärtsgehen und Wegdrehen konnten wir sie dazu bringen, uns zu folgen. Keine Leinen, keine Halsbänder, keine Kontrollmöglichkeit außer unserer Körpersprache, die ihnen mit der Drehung des Oberkörpers 'Stopp' oder 'Kommt' sagte. Ich verstehe heute immer noch nicht, wie sie es schafften. Aber sie schafften es. Ich werde ewig dafür dankbar sein, dass Hunde auf die richtigen visuellen Signale reagieren.   Alle Hunde sind brillant darin, die kleinsten unserer Bewegungen wahrzunehmen, und sie nehmen an, dass jede dieser feinen Bewegungen eine Bedeutung hat. Das tun wir Menschen auch, wenn Sie einmal darüber nachdenken. Denken Sie an diese winzige Drehung des Kopfes, die Ihre Aufmerksamkeit erregte, als Sie sich mit jemand verabredet hatten? Überlegen Sie, wie wenig sich jemandes Lippen bewegen müssen, damit ein Lächeln zu einem hämischen Grinsen wird. Wie weit muss sich eine Augenbraue bewegen, damit sich die Botschaft ändert, die wir von diesem Gesicht lesen - zwei Millimeter? Vielleicht meinen Sie, dass wir dieses Allgemeinwissen automatisch auch in unserem Umgang mit Hunden anwenden.